Autor:

Samuel Cross
LL.M. Eur. (München) | Legal Consultant

Data Act & Cloud-Switching: Wie wirkt sich der Data Act auf Vertragsverhältnisse aus?

Kurz gelesen:

Der Data Act führt ab dem 12. September 2025 weitreichende Pflichten für Cloud-Anbieter ein, die für Kunden den Wechsel zu anderen Cloud-Anbietern oder zur eigenen IKT-Infrastruktur erheblich erleichtern sollen. Kapitel VI des Data Act verpflichtet Cloud-Anbieter unter anderem dazu, sämtliche kommerziellen, technischen und vertraglichen Wechselhindernisse zu beseitigen. Die Bestimmungen haben sowohl umfassende Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung von Cloud-Anbietern als auch auf Bestandsverträge.

Dieser Beitrag ist Teil einer mehrteiligen Beitrags-Serie, die sich dem EU Data Act (Verordnung (EU) 2023/2854) widmet. Der Data Act ist ab dem 12. September 2025 anwendbar. Im Rahmen der Blog-Serie erläutern wir verschiedene Aspekte des Data Act, unter anderem die Vorschriften des Kapitel VI zum Wechsel zwischen Datenverarbeitungsdiensten, dem sogenannten „Cloud-Switching“. Dabei fokussieren wir uns auf die Auswirkungen, die Kapitel VI auf die Vertragsgestaltung hat.

1. Anwendungsbereich

Die Pflichten aus Kapitel VI gelten für Datenverarbeitungsdienste im Sinne des Art. 2 Nr. 8 Data Act, d.h. digitale Dienstleistungen, die dem Kunden einen „flächendeckenden und auf Abruf verfügbaren Netzzugang zu einem gemeinsam genutzten Pool konfigurierbarer, skalierbarer und elastischer Rechenressourcen zentralisierter, verteilter oder hochgradig verteilter Art“ ermöglichen. Erfasst sind daher diverse „as-a-Service“-Dienste (SaaS / PaaS / AIaaS / IaaS, usw.), d.h. nahezu alle Cloud-Angebote. Art. 31 Abs. 1 und 2 Data Act gewährt jedoch Teilausnahmen für Cloud-Dienste, die entweder auf spezifische Bedürfnisse eines einzelnen Kunden zugeschnitten sind oder als Testversion bereitgestellt werden.
Der Regelungen aus Kapitel VI Data Act gelten sowohl für alle nach dem 12. September 2025 abgeschlossenen Verträge als auch für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Bestandsverträge, da Art. 50 Data Act keine Übergangsregelung für Bestandsverträge vorsieht. Daher gelten alle Pflichten aus den Art. 23 ff. Data Act sowohl für neue als auch für bestehende Cloud-Verträge in vollem Umfang.

2. Überblick: Vertragsrelevante Vorschriften zum Anbieterwechsel nach dem Data Act

Zur Vermeidung von sogenannten „Lock-In-Effekten“ und um die Position von Cloud-Kunden gegenüber Cloud-Anbietern zu stärken, enthält Kapitel VI eine Reihe von Pflichten für Cloud-Anbieter, die sich auf vertragliche Vereinbarungen auswirken:

a. Allgemeine Pflicht zur Hindernisbeseitigung (Art. 23 Data Act)

Gemäß Art. 23 Data Act müssen Cloud-Anbieter vertragliche Hindernisse für ihre Kunden beseitigen, zu einem Datenverarbeitungsdienst eines anderen Anbieters, der die gleiche Dienstart abdeckt, oder zu einer IKT-Infrastruktur in eigenen Räumlichkeiten zu wechseln. Insbesondere sind nach Art. 23 S. 2 Buchst. a und b Data Act vertragliche Hindernisse dafür zu beseitigen, den Vertrag mit dem Cloud-Anbieter nach einer maximalen Kündigungsfrist von zwei Monaten und nach vollzogenem Wechsel zu beenden und neue Verträge mit einem anderen Cloud-Anbieter abzuschließen. Art. 23 Data Act wirkt als eine Art „Generalklausel“, die durch die weiteren Vorschriften des Kapitel VI konkretisiert werden.

b. Mindestanforderungen an Verträge (Art. 25 Data Act)

Für Art. 25 Data Act schreibt detaillierte Mindestinhalte für Cloud-Verträge vor. Dabei untersagt die Vorschrift nicht nur vertragliche Hindernisse, sondern fordert vielmehr ausdrücklich die Aufnahme bestimmter Klauseln:

Wechselrecht

Nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Data Act muss der Cloud-Vertrag Klauseln enthalten, die dem Kunden ermöglichen, auf Verlangen zu einem Datenverarbeitungsdienst eines Drittanbieters zu wechseln bzw. alle exportierbaren Daten und digitalen Vermögenswerte unverzüglich auf eine IKT-Infrastruktur in den eigenen Räumlichkeiten zu übertragen. Die Klauseln müssen insbesondere eine Unterstützungspflicht des Cloud-Anbieters beim Vollzug des Wechsels, eine Pflicht zur Aufrechterhaltung der Kontinuität des Geschäftsbetriebs des Kunden, eine Unterrichtungspflicht hinsichtlich bekannter Risiken für die unterbrechungsfreie Erbringung der Dienste sowie eine Fürsorgepflicht des Cloud-Anbieters für die Sicherheit des Wechsels vorsehen.

Unterrichtungs- und Unterstützungspflichten

Der Cloud-Vertrag muss darüber hinaus Klauseln zu diversen Unterrichtungs- und Unterstützungspflichten enthalten, durch die der Cloud-Anbieter seinen Kunden einen möglichst reibungs-losen und informierten Wechsel ermöglicht. Die abzuschließenden Klauseln erfordern eine aktive Mitwirkung des Cloud-Anbieters an dem Wechsel des Kunden.

Von den Mitteilungspflichten sind u.a. Listen der Datenkategorien und digitalen Vermögenswerte umfasst, die während des Vollzugs eines Wechsels übertragen werden können (Art. 25 Abs. 2 Buchst. e Data Act). Zudem müssen Cloud-Anbieter eine Liste der Datenkategorien bereitstellen, die für die interne Funktionsweise des Cloud-Dienstes spezifisch sind und daher nicht zu übertragen sind, sofern die Gefahr einer Verletzung der Geschäftsgeheimnisse des Cloud-Anbieters besteht (Art. 25 Abs. 2 Buchst. f Data Act). Daher müssen Cloud-Anbieter nicht nur ihre Verträge entsprechend anpassen, sondern auch intern eindeutig klären, welche Datenkategorien im Fall eines Wechsels umfasst sind, damit sie ihren vertraglichen Mitteilungspflichten nachkommen können.

Zu den Unterstützungspflichten zählt eine Verpflichtung des Cloud-Anbieters im Cloud-Vertrag, die Ausstiegsstrategie des Kunden zu unterstützen (Art. 25 Abs. 2 Buchst. b Data Act). Die genaue Reichweite dieser Unterstützungspflicht ist nicht eindeutig, umfasst jedoch jedenfalls die Bereitstellung von Informationen (Erwägungsgrund 95 zum Data Act).

Kündigungsfristen und Kompensation bei vorzeitiger Kündigung

Von besonderer Bedeutung ist die gemäß Art. 25 Abs. 2 Buchst. d Data Act im Vertrag vorzusehende maximale „Kündigungsfrist“ (genauer: „Ankündigungsfrist “) von zwei Monaten für Cloud-Verträge, innerhalb welcher der Cloud-Anbieter den Wechsel einleiten muss. Der Data Act untersagt zwar nicht, feste Vertragslaufzeiten zu vereinbaren, d.h. es bleibt weiterhin möglich, einen Cloud-Vertrag mit einer mehrjährigen Vertragslaufzeit abzuschließen. Jedoch muss eine wechselbedingte Kündigung jederzeit, auch während der festen Vertragslaufzeit, möglich sein.
Diese Anforderung stellt Cloud-Anbieter vor enorme Herausforderungen und zwingt sie dazu, ihre Geschäftsmodelle und die Preisgestaltung zu überdenken.

Aus dem Data Act ergibt sich, dass die Vereinbarung einer Entschädigung für die frühzeitige Kündigung in Form einer Abstandszahlung möglich ist („Sanktionen“ gemäß Art. 29 Abs. 4 Data Act). Diese müssen jedoch verhältnismäßig sein (Erwägungsgrund 89 zum Data Act). In aller Regel dürften Cloud-Anbieter jedoch gegenwärtig in ihren Bestandsverträgen keine Abstandszahlungen für eine vorzeitige Kündigung vorsehen, da eine gesetzlich verankerte Kündigungsmöglichkeit bislang nicht vorgesehen war. Daher müssen Cloud-Anbieter zügig reagieren, um ihre Verträge anzupassen. Insbesondere soll geprüft werden, ob sich die Verträge anhand von vertraglich vereinbarten Anpassungsklauseln anpassen lassen bzw. die Anforderungen einer Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) erfüllt sind.

Konkretisierung des Wechselprozesses

Ebenfalls aus Art. 25 Data Act ergibt sich die Verpflichtung, Klauseln zur konkreten Durchführung des Wechsels in den Cloud-Vertrag aufzunehmen. Dazu gehören insbesondere maximale Übergangszeiträume für die Durchführung des Wechsels (Art. 25 Abs. 4 Data Act), Mindestfristen für den Datenabruf (Art. 25 Abs. 2 Buchst. g Data Act) sowie Regelungen zur Auswahl der Form des Wechsels durch den Kunden (Art. 25 Abs. 3 Data Act). Die Anforderungen an die vertragliche Ausgestaltung des Cloud-Wechsels ist Gegenstand eines gesonderten Beitrags dieser Blog-Serie.

c. Vertragliche Transparenzpflichten (Art. 28 Data Act)

Cloud-Anbieter werden nach dem Data Act verpflichtet, technische, organisatorisch sowie vertraglichen Maßnahmen zu beschreiben, die der Anbieter getroffen hat, um einen internationalen staatlichen Zugang zu oder eine internationale staatliche Übermittlung von in der EU gespeicherten nicht-personenbezogenen Daten zu verhindern, wenn der Zugang/die Übermittlung im Widerspruch zum Unionsrecht oder zum nationalen Recht stünde. Diese Beschreibung muss auf einer Website erfolgen (Abs. 1), jedoch muss die Website im Vertrag aufgeführt werden (Abs. 2). Zudem müssen Cloud-Anbieter in den Verträgen die Gerichtsbarkeit nennen, der die genutzte IKT-Infrastruktur unterliegt (Abs. 1 Buchst. b).

d. Schrittweise Abschaffung von Wechselentgelten (Art. 29 Data Act)

Der Data Act sieht zur Vermeidung von Lock-In-Effekten die „Abschaffung“, sprich: das Verbot,  der Vereinbarung und Berechnung von Wechselentgelten vor. Mit „Wechselentgelten“ sind Gebühren für die Unterstützung bei Cloud-Wechsel gemeint (siehe Definition gemäß Art. 2 Nr. 36 Data Act). Spätestens ab dem 12. Januar 2027 dürfen Anbieter keine Wechselentgelte mehr erheben und bis zu diesem Datum dürfen nur „ermäßigte“ Wechselentgelte verlangt werden, die die dem Cloud-Anbieter entstehenden Kosten nicht übersteigen. Daraus folgt, dass auch entsprechende Vereinbarungen in Cloud-Verträgen nicht zulässig wären. Ferner müssen Cloud-Anbieter bei der Vertragsgestaltung sicherstellen, dass etwaige in den Cloud-Vertrag aufgenommene vertragliche Abstandszahlungen für den vorzeitigen Wechsel vor dem Ablauf der Vertragsmindestlaufzeit nicht unverhältnismäßig hoch sind, und damit als verstecktes Wechselentgelt einzuordnen sind.

3. Key Take Aways

Die Regelungen in Kapitel VI des Data Act sehen wesentliche Eingriffe in der Vertragsfreiheit vor. Cloud-Anbieter müssen zum einen Standard-Verträge kritisch prüfen und ggf. überarbeiten, sich zum anderen jedoch auch auf Konflikte im Zusammenhang mit Bestandsverträgen einstellen. Das Recht zum „Cloud-Switching“ besteht nicht per Gesetz, sondern muss unter Berücksichtigung der detaillierten Vorgaben des Data Act vertraglich abgebildet werden.  Zudem können das vertraglich zu regelnde Kündigungsrecht des Kunden und das Verbot der Berechnung von Wechselentgelten Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben. Im Fokus sollte insbesondere eine sorgfältige Formulierung von Regelungen zu Abstandszahlungen bei vorzeitiger Kündigung und die konkreten Auswirkungen des Wechselbegehrens auf den Vertrag stehen. Cloud-Anbieter sollten daher kurzfristig sicherstellen, dass die Verträge entsprechend angepasst werden und die Auswirkungen des Data Act auch ausreichend geschäftsstrategisch berücksichtigt wird.

Zurück zur Newsübersicht